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Vom Netzprojekt zum Roman zum Film?

Von Christina Hertel

Vom Papier auf die Leinwand: Bei Book meets Film 2019 präsentieren zwölf Verlage der Filmbranche jeweils ein Buch, von dem sie glauben, dass es in Kino gehört. Eines davon ist in diesem Jahr Thomas Langs „Freinacht“ – ein Roman, der als Experiment im Internet startete.

Traunreut, 30. April 2006: Vier Jugendliche, zwischen 15 und 17 Jahre alt, feiern in einem Wald, trinken Alkohol, als sie die Leiche eines Mannes finden. Sie schleifen den Toten weg, binden ihn an einen Baum, schlagen mit einer Eisenstange auf ihn ein – so sehr, dass die Polizei später denken wird, der Mann sei ermordet worden. Dabei hatte er sich zwei Monate zuvor selbst umgebracht.

Weshalb eskalierte die Gewalt so sehr? Diese Frage trieb die Ortschaft, Zeitungen, Polizei und Gerichte um. Auch der Münchner Autor Thomas Lang beschäftigt sich seit Jahren mit ihr – zuerst in einem Internet-Projekt, dann in einem Roman, der im August unter dem Titel „Freinacht“ beim Piper Verlag erscheinen soll. Nun hofft er, dass die Geschichte irgendwann auch im Kino oder Fernsehen zu sehen sein wird. Am 3. Juli, stellt sein Verlag den Roman zum ersten Mal Filmproduzenten vor – bei Book meets Film 2019 auf dem Münchner Filmfest. Dort präsentieren zwölf Verlage mehr als 100 Produzenten, Regisseuren und Drehbuchautoren jeweils ein Buch, von dem sie glauben, dass es sich auch auf einer Kinoleinwand gut machen würde. Seit 2007 organisieren der bayerische Landesverband des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels und der Verband Druck und Medien Bayern das Treffen gemeinsam. Und das Mediennetzwerk Bayern unterstützt sie dabei.

Dass aus seinem Roman eines Tages ein Film werden könnte, sei noch „Schnee von übermorgen”, sagt Autor Thomas Lang. Doch einer von zwölf auserwählten Autoren zu sein, sei ein tolles Signal, dass sein Stoff das Potenzial dazu habe. An ihm arbeitet sich Lang bereits seit mehr als drei Jahren ab. Damals begann alles als Experiment im Netz: Auf seiner Website veröffentlichte der Autor nach und nach neues Material – einzelne Szenen, Gedanken zu Figuren und Inhalt. Die Nutzer konnten den Text zwar nicht umschreiben, aber mitdiskutieren und seinen Schreibprozess verfolgen. Nach einem Jahr schloss Lang seine Werkstatt wieder und arbeitete alleine an dem Buch weiter.

Von dem Netzroman schafften es nur wenige Absätze ins Buch

Übrig geblieben sei von dem Netzroman praktisch nichts, sagt Lang. Gerade mal ein oder zwei Abschnitte habe er übernommen. Trotzdem habe ihn die Community beeinflusst – zum Beispiel bei der Hauptfigur Elle. „Ich habe sie mir als leicht angepunktes Mädchen mit rosa Haaren und Lederjacke vorgestellt”, sagt Lang. Zu sehr Klischee, schrieben die Nutzer. Also strich Lang die gefärbten Haare und erschuf ein schüchternes, schmales Mädchen, das gerne Schallplatten hört – kein Punk, aber auch kein Mainstream.

In einem Nachwort des Romans bedankt sich Thomas Lang bei allen, die sich einbrachten, doch klar wird auch: Die 60 Seiten im Internet und die 300 Seiten auf Papier sieht er als zwei verschiedene Projekte. Und als noch einmal eine komplett neue Kunstform betrachte er einen Film, sagt Lang. „Schließlich müsste ich damit klarkommen, wenn die Figuren ganz anders aussehen, als ich sie mir vorgestellt habe.” Trotzdem sei dieser „mediale Transfer” reizvoll. Hinzu komme der finanzielle Aspekt: Lang hofft nicht nur durch den Verkauf der Rechte Geld zu verdienen, sondern auch, dass der Roman stärker nachgefragt wird, wenn er erst im Fernsehen lief.

Auf eine „Werbewirkung” setzt auch Sven Diedrich, der beim Piper-Verlag unter anderem dafür zuständig ist, Lizenzen an Filmproduktionsfirmen zu verkaufen – „ein langwieriges Geschäft”, sagt er. Denn vor 2021 sei “Freinacht” sicher nicht im Kino oder im Fernsehen zu sehen. Und eine Garantie, dass es mit der Verfilmung klappt, gebe es nie, selbst wenn sich eine Produktionsfirma zunächst dafür entscheidet. In drei von fünf Fällen würden Projekte am Ende doch scheitern, schätzt Diedrich. Ein Grund: zu wenig Sendeplätze für zu viele Filmideen für noch mehr Bücher. Während sein Verlang bis zu 200 Bücher im Jahr herausbringe, verwirkliche eine Produktionsfirma höchstens ein Zehntel davon. Denn ein Film sei teuer – Produzenten müssten sich gut überlegen, welche sie umsetzen wollen. Deshalb sei es so wichtig, Kontakte zu knüpfen – und Book meets Film 2019 eine gute Gelegenheit, gleich möglichst viele Filmleute auf einmal anzusprechen.

Starke Protagonisten sind die wichtigste Voraussetzung für einen Film

Dass sich einer von ihnen für Thomas Langs „Freinacht” entscheidet, hält Diedrich nicht für unwahrscheinlich. Interessant könnte aus seiner Sicht sein, dass es sich um eine wahre Begebenheit handelt. Außerdem seien Plot und Charaktere stark – eine der wichtigsten Voraussetzungen, damit aus einem Buch eines Tages ein Film wird. Dass das Ganze ursprünglich ein Internetprojekt war, habe jedoch bei der Auswahl keine Rolle gespielt. Solche neuen Formen des Schreibens seien in seinem Verlag eher die Ausnahme.

Und die wird es wohl auch für Autor Thomas Lang bleiben. Der Austausch mit den Nutzern sei zwar befruchtend gewesen, sagt er, doch gleichzeitig war der Aufwand groß. „Ohne Mitarbeiter des Literaturportal Bayern, die sich um Social Media und die Website kümmerten, wäre es nicht machbar gewesen.” Hinzu komme der finanzielle Aspekt: „Würde ich nur im Netz veröffentlichen, würde ich wohl praktisch nichts damit verdienen.” Das Ziel sei deshalb noch immer ein Roman auf Papier. Und dann vielleicht auf Leinwand.

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